Heute möchte ich ein Update zur Einführung der neuen Domainendungen in Form einer Infografik zeigen. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 2012 im Bewerbungsfenster 1930 Anträge für 1409 verschiedene Domainendungen bei der ICANN. Wir haben die offiziellen Zahlen der ICANN analysiert und grafisch aufbereitet - und dabei insbesondere auch auf den deutschsprachigen Raum und Anträge einen Fokus gelegt.
Die Diskussion über die Einführung neuer Domain-Endungen ist ja nicht neu - sondern läuft schon seit vielen Jahren - quasi ewig. Sie wird international geführt im Rahmen der Internet-Verwaltungsorganisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) und dessen Community - zu der Provider, Registrierungsstellen (Registries), Regierungen und sonstige Gruppen gehören. Vor allem über das WIE wurde lange gestritten. Und so ganz ausgefochten ist es letztendlich noch immer nicht...
Zentrales Element des folgenden Blog-Beitrages ist die rechts stehende Infografik. Sie ist sehr lang geworden - enthält dafür aber auch recht viele Zahlen, Daten und Fakten. Sie kann durch einen Klick vergrößert abgerufen werden.
Zur Ansicht z.B. im IPad, in Tablett-PCs, im Smartphone usw. kann die direkte URL aufgerufen werden.
Ein paar einfache Spielregeln:
Soweit zur Infografik und den Spielregeln, die hoffentlich fair genug sind. Es ist übrigens unsere erste Infografik und wir hoffen sie gefällt.
Nun zum begleitenden Blog-Beitrag, in welchem ich nach einem kleinen Exkurs vor allem darauf eingehen möchte, was dieses Jahr geschehen ist und wo wir nun stehen:
Mit der wichtigste Dienst im Internet ist das hierarchische Domain Name System (DNS) welches eine baumartige Struktur aufweisst. Ein Domainname wird immer von rechts nach links delegiert, die erste Ebene wird als Top-Level-Domain (TLD) bezeichnet.
Dabei wird unterschieden zwischen
Die allgemeinen Endungen wurden dabei in zwei Runden erweitert - im Vergleich zu dem was kommt muss man sagen "geringfügig erweitert":
Nachdem diese beiden Runden neuer Endungen recht überschaubar waren, wird seit 2005 in der ICANN-Community eine deutlich stärkere Öffnung aka "TLD-FLUTUNG" diskutiert. 2008 gaben die ICANN-Directoren auf dem ICANN-Meeting in Paris grünes Licht für die Öffnung. Es dauerte aber noch bis Juni 2011, bis das genaue Verfahren für Bewerber verabschiedet werden konnte. Die lange Zeit hat sich gelohnt, immerhin 338 Seiten Regelwerk wurden geschaffen ;)
In den ersten beiden Quartalen 2012 lief das offizielle Bewerbungsfenster wo quasi jeder neue Endungen beantragen konnte - für 185.000 US$ Antragsgebühr je Antrag / Endung. Durch die hohe Gebühr sollte u.a. die Anzahl der Antragsteller und Endungen klein gehalten werden.
Hierbei gab es bereits erste Verzögerungen - die Bewerbungs-Plattform "TLD Application System (TAS)" machte kurz vor dem avisierten Bewerbungsende mit einem Sicherheitsproblem schlapp: Antragsteller konnten die Namen und Daten anderer Bewerber einsehen. Ende Mai war das Problem gelöst und das Fenster wurde nochmal für wenige Tage geöffnet.
Am "Reveal Day" am 13 Juni 2012 wurden die beantragten Domainendungen und einige allgemeine dazugehörigen Daten von ICANN veröffentlicht - auf diesen Daten basiert im wesentlichen auch unsere Auswertung und die daraus erstellte Infografik.
Der ICANN war von vorne herein klar: Die Prüfung vieler Anträge wird sehr lange dauern. Deshalb hatte man sich was ganz schlaues und innovatives überlegt um die Reihenfolge zu bestimmen in welcher die Anträge geprüft werden. Denn eine Verlosung schied, um nicht gegen das amerikanische Glücksspiel-Recht zu verstossen, aus.
Die Idee war alle Anträge in Pakete von je 500 Anträgen zu stapeln (batching) - wer in welches Paket kommt sollte per "digitalem Bogenschießen" ermittelt werden.
Hierzu sollten sich die Bewerber in ein System anmelden und einen Submit-Button zu einem zuvor genau festgelegten Zeitpunkt klicken - möglichst dich an der Ziel-Zeit. Die Differenz zwischen der definierten Ziel-Zeit und tatsächlichem Klick sollte als Entscheidungs-Kriterium zur Reihenfolge herhalten. Damit das ganze auch gerecht abläuft, sollten u.a. zusätzlich geografische Regionen bei der Stapel-Bildung berücksichtig werden.
Obwohl bereits einige hundert "Bogenschüsse" abgegeben wurden, wurde der Prozeß dann relativ schnell am 25. Juni 2012 nach erheblicher Kritik (mögliche Klick-Scripte, Latenzen usw.) auf dem ICANN-Meeting in Prag komplett ausgesetzt.
Vor einigen Tagen ist am 26. September die Kommentierungs-Phase abgelaufen, wo die Bewerbungen im "New gTLD Application Comments Forum" kommentiert werden konnten.
Aber auch der Regierungsbeirat "Governmental Advisory Committee (GAC)" prüft die Bewerbungen: Erste Stellungnahmen werden vielleicht in wenigen Wochen vorliegen, in Summe sich aber auch vermutlich bis Q2/2013 ziehen. Hier kann auch auf neue Verzögerungen spekuliert werden, denn bereits bei der Verabschiedung der Antrags-Regeln gab es erhebliche Differenzen zwischen GAC und ICANN.
Die ICANN hat nun vor kurzem beschlossen, die Bewerbungen alle auf einmal in einem Durchgang und nicht in mehreren Stapeln zu prüfen. Soweit so gut. Bei den vielen Anträgen wird dies sicherlich jedoch einige Monate dauern ; die ICANN geht von 11-12 Monaten aus.
Nach einer so ganz gerechten Lösung schaut deshalb auch dies noch nicht aus, denn selbst nach erfolgreicher Prüfung stehen mit jedem einzelnen Bewerber Vertragsverhandlungen für den Betrieb, technische Tests und am Ende der Eintrag in die Root-Nameserver an. Und außerdem sollen nicht mehr wie 1000 neue Endungen pro Jahr freigegeben werden - was ein wenig im Widerspruch zu "alle auf einmal prüfen" steht.
Wie es im Detail weiter gehen wird, birgt also auf jeden Fall noch genug Stoff für neue Diskussionen, neue Pannen und weitere Verzögerungen. Die ICANN hat ihre Vorstellungen und den aktuellen Stand veröffentlicht unter "Roadmap for Processing New gTLD Applications".
Ob wirklich die ersten neuen Domainendungen 2013 schon online gehen werden ? Es bleibt spannend.
Wir werden bei Portunity Hosting immer wieder mal gefragt, ob man auch bei uns schon Domains unter neuen Endungen vorregistrieren kann ? Nein, können Sie bei uns noch nicht !
Auch wenn es einige Mitbewerber gibt, welche sowas schon heute anbieten, so richtig Sinn macht dies meiner Meinung derzeit noch nicht. Hier kann es aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr wie um ein Einsammeln von Adressen und Interessenten gehen.
Denn zum jetzigen Zeitpunkt:
Und damit kann man eine verbindliche Vorregistrierung zum heutigen Zeitpunkt eigentlich noch nicht wirklich seriös anbieten. Meine Meinung dazu.
Was aber hingegen sehr sinnvoll ist, ist sich mit der Einführung schon heute ein wenig zu beschäftigen. Sich also in den kommenden Monaten mal genau Gedanken zu machen:
Der Prozeß um die Einführung neuer Domainendungen aka Top-Level-Domains (TLDs) ist weiter dynamisch und spannend. Und es bleibt Raum für weitere Verzögerungen und Überraschungen - aber auch für Hoffnungen auf nun zügigen Vollzug.
Dazu haben wir für die Infografik ein paar Statements aus ganz unterschiedlichen Bereichen eingeholt - mit welchen wir nun auch den textlichen Teil abschließen möchten:
Mit .berlin wird Berlin zur globalen digitalen Marke, die für Berliner, Unternehmen und die Metropole eine neue digitale Identität schafft.
- Dirk Krischenowski, Geschäftsführer bei dotBERLIN
Für unsere Kunden wie z.B. Edeka und Volkswagen bedeutet die eigene Top-Level-Domain eine strategische Ergänzung ihrer digitalen Marke.
- Katrin Ohlmer, Geschäftsführerin bei DOTZON GmbH
Wettbewerb ist immer gut. Aber die Einführung der neuen TLDs verläuft undurchdacht und chaotisch. Hier geht es um Kommerz, nicht um Nutzen.
- Christoph Grüneberg, Domainer und Domainvermarkter
Neue TLDs bedeutet zuerst mal mehr EMDs (Exact Match Domains). Verständlich, dass Google da bereits jetzt gegensteuert. Ob sich neue TLDs langfristig als Qualitätsmerkmal vor Nutzer durchsetzen können hat sicher was mit der Vergabepolitik der jeweiligen Inhaber zutun.
- Jens Fauldrath, Inhouse-SEO / Geschäftsführer bei takevalue Consulting GmbH
ICANN stellt neue Verfahren zum Markenschutz bei neuen gTLDs zur Verfügung. Sie sollten jetzt eine Aktiv- und Defensivstrategie erarbeiten.
- Thomas Rickert, Rechtsanwalt bei Schollmeyer & Rickert RA-GmbH
Die Zeiten in denen Gründer vergeblich nach einer passenden Domain für ihr Unternehmen gesucht haben, gehören bald der Vergangenheit an."
- Andreas Schreiner, Geschäftsführer bei registry.net GmbH
Der Medienrummel rund um neue Top Level Domains wird auch den bestehenden TLDs nutzen. Firmen sollten sich rechtzeitig gute Domainstrategien zurechtlegen!
- Richard Wein, Geschäftsführer bei NIC.at
und zu guter letzt mein persönliches Statement aus der Infografik:
Das Web wird bunter und ein Stück weit auch chaotischer: Einige neue Endungen sind sehr sinnvoll - bei anderen frage ich mich, was soll das ? Ein neues, sehr spannendes Domain-Zeitalter beginnt bald.
27.01.2023
Kommentare
@Uwe Sache: Bei der "Tortengraphik zu Anträgen aus DE" sind nur alle Antragsteller drin, welche mehr als eine Endung beantragt haben (siehe in der Überschrift das ">1").
@Christian Buggisch: Wichtig war mir bei den Expertenzitaten eine bunte Mischung aus Reigstries, Registraren aber auch die SEO-Sicht, die rechtliche Seite, die Sicht aus der Domainer-Szene usw. rein zu bekommen.
Auch wir verdienen mit Domainregistrierungen Geld. Von daher ist im Prinzip jede weitere registrierte Domain mehr, egal wie sinnvoll sie sein mag, aus monetärer Sicht erstmal gut. Trotzdem sehe ich die Einführung auch mit gemischten Gefühlen. Einige Endungen wie .shop oder .berlin machen sicherlich durchaus auch Sinn und werden Verbreitung finden. Bei anderen habe ich erhebliche Zweifel ob es die in einigen Jahren noch geben wird.
Unabhängig davon wird die gewaltige Zahl neuer Endungen noch eine logistische Herausforderung auch werden - denn bei vielen Endungen wird es unterschiedliche technische Schnittstellen geben. Von unterschiedlichen Regeln, Bedingungen und Nachweis-Prozessen usw. mal ganz abgesehen. Weitere Verzögerungen halte ich aus verschiedenen Gründen auch nicht für ganz ausgeschlossen - es bleibt also spannend.
So etwas hat nicht jeder im Familienbesitz.